Deutsche Ansiedlungen in Galizien 1781 bis 1940
German colonization in
Auszüge aus einem Vortrag, gehalten zum
Galiziertreffen am 13.09.1997 in Ostrau/Saalkreis von Werner Kraus
Die Geschichte der
Galiziendeutschen begann damit, daß Polen zwischen
1772 und 1795 dreimal geteilt wurde. Als der polnische König Stanislaw II. im
Jahre 1768 Reformen in seinem Land durchführen wollte, um den Einfluß Rußlands zurückzudrängen,
kam es zum Bürgerkrieg in Polen. Die Reformgegner wurden von Russland und
Preußen unterstützt und diese Hilfe zur Beilegung des Konfliktes ließen sich
die Großmächte durch Abtretung von polnischem Staatsgebiet bezahlen.
In den Petersburger Verträgen
von 1772 teilten Russland, Preußen und Österreich ein Drittel des polnischen
Staatsgebietes unter sich auf. Nach weiteren Unruhen in Polen gab es 1792 und
1795 noch zwei Teilungen, in denen auch das restliche Polen aufgeteilt wurde.
Das geschah in der Zeit der Herrschaft der Kaiserin Maria Theresia, die
übrigens nur widerwillig dieses Spiel der Großmächte mitgemacht hat.
Von 1772 bis 1918 gehörte also
das so genannte Königreich Galizien und Lodomerien zu
Österreich, ab 1867 K.u.K-Monarchie
Österreich-Ungarn. Der westliche Teil von Galizien mit der Hauptstadt Krakau
gehört heute zu Polen. Wenn wir hier von Galizien sprechen, dann meinen
wir aber Ostgalizien mit der Hauptstadt Lemberg. Heute wird dieses Gebiet als
Westukraine bezeichnet und Lemberg heißt heute Lviv
(polnisch Lwów, russisch Lwow).
Maria Theresia hat gleich nach
der ersten Teilung Polens - etwa um 1774 - in Lemberg die ersten Handwerker aus
Deutschland ansiedeln lassen. Nach dem Tode der Kaiserin im Jahre 1780 begann
unter Kaiser Josef II. die eigentliche Kolonisation des Landes. Die
katastrophale Wirtschaftslage sollte durch Fachkräfte, wir würden heute sagen
durch Entwicklungshelfer, verbessert werden. Auch damals schon mussten für ein
solches Vorhaben die notwendigen Gesetze erlassen werden.
Mit dem Ansiedlungspatent von
1781 wurden die Bedingungen für die Ansiedlung von Bauern und Handwerkern aus
Deutschland festgelegt. Das betraf vor Allem die Zuteilung des Bodens und die
Gewährung einer mehrjährigen Steuerfreiheit. Das Toleranzpatent Josefs II. von
1781 ermöglichte erstmals die Ansiedlung von Andersgläubigen in dem
katholischen Österreich. Daraus erklärt sich der hohe Anteil der evangelischen
Christen unter den Ansiedlern in Galizien.
Die Anwerbung von
Auswanderungswilligen zu einer Zeit, als es in Deutschland und in ganz Europa
noch einen hohen Geburtenüberschuss gab, war nicht besonders schwierig. Ein
Teil der großen Kinderschar der Bauernfamilien musste regelmäßig den
elterlichen Hof verlassen, um sich anderswo eine eigene Existenz aufzubauen.
Die meisten davon wanderten damals nach Amerika aus, aber in Werbeschriften
wurden auch für Galizien verlockende Angebote gemacht. Die Werber des Kaisers
konzentrierten ihre Bemühungen besonders auf die Pfalz und das Saarland, denn
dies war eine Gegend in Deutschland, die durch häufige Kriege mit dem Nachbarn
Frankreich besonders verarmt war. Auf diese Weise ist zu erklären, dass die
meisten der zwischen 1782 und
Der Weg von der Pfalz nach
Galizien ist etwa 1700 km lang. Die Strapazen der Anreise nach Galizien
versteht man vielleicht besser, wenn man sich den Weg vorstellt, den die
Auswanderer mit ihrer ganzen Familie zurücklegen mussten. Die meisten Pfälzer
zogen zunächst rheinaufwärts bis Speyer und dann durch den Kraichgau
zwischen Schwarzwald und Odenwald hindurch bis nach Ulm. Von Ulm aus und vom
benachbarten Günzburg aus, das damals zu Österreich gehörte, fuhr man auf der
Donau in den so genannten Ulmer Schachteln bis nach Wien. Die Ulmer Schachteln
waren billig hergestellte Boote. Eine einfache Hütte als Wetterschutz für die
Passagiere bot immerhin Komfort in drei Klassen an. Sie fuhren nur in einer
Richtung donauabwärts und wurden am Ende Ihrer Reise
als Brennholz verkauft.
Von Wien aus ging die Reise auf
dem Landwege weiter. Man zog mit Pferdewagen in größeren Gruppen über Brünn, Olmütz, Mährisch-Neustadt,
Bielsko-Biala bis nach Krakau und von dort weiter in
die Bestimmungsorte. Gereist wurde nur in den Sommermonaten und es muss dabei
so ähnlich zugegangen sein wie bei den Siedlertrecks, die manchmal in den
Wildwestfilmen zu sehen sind.
Aus den Ansiedlungslisten der
österreichischen Behörden geht hervor, dass in den Jahren 1782 bis 1785 3216
Familien mit 14669 Personen nach Galizien zogen. Die Einrichtung der
Höfe für die Ansiedler konnte mit diesem Ansturm nicht Schritt halten, so dass
ab 1785 die Zahl der Aussiedler beschränkt wurde, denn die in Lagern auf Ihre
Ansiedlung wartenden Menschen mussten erst auf die Höfe verteilt werden. Dieses
dauerte bis 1789 und länger. Aber schon 1790 starb Kaiser Josef II. und damit
endete die so genannte josefinische Einwanderung.
Eine zweite Einwanderungswelle unter Kaiser Franz führte weit weniger Menschen
nach Galizien. Nach 1810 gab es noch eine Einwanderungswelle kleineren Ausmaßes
aus dem katholischen Egerland, wodurch unter Anderem
die Orte Machliniec, Mariahilf
und Felizienthal entstanden sind.
In der Regel sollten die
Ansiedler außer dem Ackerland auch fertig eingerichtete Höfe mit einer
Grundausstattung von landwirtschaftlichem Gerät und Vieh erhalten. Da aber die
österreichische Verwaltung sich erst im Aufbau befand, gab es bei der
Durchführung der Pläne für die Ansiedlung viele Probleme. Es sind uns viele
Zeugnisse überliefert, mit welch großen Schwierigkeiten die Ansiedler in den
ersten Jahren des Aufbaus zu kämpfen hatten. Die heutigen Amerikaner sind sehr
stolz auf Ihre Vorfahren und deren sprichwörtlichen Pioniergeist. Aber wir als
Nachkommen der Galiziendeutschen können auf die Leistungen unserer Vorfahren
nicht weniger stolz sein.
Anders als heute gab es in
Galizien bis 1939 mehrere Bevölkerungsgruppen. Das waren vor allem die Ukrainer
und die Polen. Aber auch Juden, Deutsche und Armenier lebten dort, wobei
allerdings jede Volksgruppe sich von der anderen abgrenzte und ihre eigene
Kultur pflegte. Man strebte also damals noch nicht die multikulturelle
Gesellschaft an im Sinne einer Vermischung der Kulturen. Tatsache ist aber,
dass die Deutschen in Galizien eine Vorbildwirkung auf die übrige Bevölkerung
hatten.
Nach dem verlorenen Krieg gegen
Preußen 1866 sah sich Österreich gezwungen, den Volksgruppen im Vielvölkerstaat
größere Rechte einzuräumen. Das bedeutete in der Regel, dass die Rechte von
Minderheiten durch die dominierende Volksgruppe eingeschränkt wurden. In
Galizien nutzten die Polen die neuen Rechte, um die Sprache und Kultur anderer
Volksgruppen zu Gunsten des Polentums zu unterdrücken. Nach dem Ersten
Weltkrieg wurde Galizien polnisches Staatsgebiet und den Deutschen, die in
diesem Gebiet lebten, wurde es noch schwerer gemacht, ihre deutsche Identität
zu bewahren.
Der Hitler-Stalin-Pakt von 1939
regelte die Umsiedlung der Deutschen aus den von der Sowjetunion beanspruchten
Gebieten. Die meisten Galiziendeutschen wurden 1940 im Warthegau (Gebiet um Łódz) angesiedelt. Die Umstände dieser Ansiedlung
waren für die deutschen Umsiedler sehr belastend, denn sie wurden auf den Höfen
polnischer Bauern angesiedelt, die kurz vorher vertrieben worden waren. Seit
dieser mit Unrecht verbundenen Ansiedlung war den Deutschen bewusst, dass
Flucht am Ende des Krieges der einzige Ausweg war. Nicht alle konnten sich im
Januar 1945 vor der Roten Armee rechtzeitig in Sicherheit bringen. Unter den
katastrophalen Bedingungen der Flucht zerstreuten sich die Galiziendeutschen
über ganz Deutschland.
Die Evakuierungspläne der
Wehrmacht, die eine Lenkung der Flüchtlingsströme vorsahen, bewirkten aber,
dass sich im Gebiet nördlich von Halle viele der Flüchtlinge aus dem Kreis Kalisch niederließen, so dass besonders in dem Gebiet um
Ostrau noch ein gewisser Zusammenhalt der Galiziendeutschen bis heute
festzustellen ist. Diese stammen hauptsächlich aus einigen katholischen Dörfern
aus der Umgebung von Lemberg mit den Namen Bruckenthal,
Wiesenberg, Weissenberg, Ottenhausen, sowie aus
weiteren kleineren deutschen Siedlungen. Die ehemaligen Bewohner dieser Orte
und auch ihre Nachkommen treffen sich seit 1997 einmal im Jahr zu einem Galiziertreffen,
das bis 2016 in Ostrau stattfand und seit 2017 im benachbarten Kuetten weiter geführt wird.
German colonization in
Excerpt of a
lecture, given by W. Kraus on a meeting on
A story of German people settled in
On the basis of a partition treaty signed in
From 1772 to 1918 known as the
Immediately after first partition of
The conditions of settlement of the farmers and craftsmen from
In 1781 Joseph II issued the patent of toleration. For the first time
people of different beliefs were allowed to settle in catholic
In that time it was not difficult to find volunteers to immigrate
because in
In
A route from Pfalz to Galicia is a distance of
From Vienna the immigrants travelled in bigger groups, in the peasant
wagons through Brunn, Olmutz,
Mahrisch-Neustadt, Bielsko-Biala
to Krakow and from there they were directed to appointed towns where they had a
right to settle. They travelled only during summer months. It looked like on a
movie about Wild West - difficult journey, full of surprises and danger.
From the Austrian migration registers came out that between 1782 and
1785 - 3216 families (14669 people) immigrated to Galicia. The allocation and
organization of farms for a large number of settlers caused some problems so
the number of incoming immigrants was limited in 1785. It lasted till 1789.
In 1790 the Emperor of Austria - Joseph II died and it was the end of
immigration. The second wave of immigration to Galicia but minor was during the
kingship of Emperor Francis. After 1810 there was another wave of immigration
from catholic Egerland and that is why towns such as Machliniec, Mariahilf and Felizienthal came into existence.
As a rule - a settler should have received not only a farm but also
equipment and breeding cattle. As a matter of fact the Austrian administration
was under construction so the settlers struggled with many problems alone.
Today Americans are proud of their ancestors and their pioneer heart. We -
descendents of Galician Germans are also proud of our ancestors and their
fortitude.
Till 1939 Galicia was multinational country of Ukrainians, Poles, Jews,
Germans and Armenians. Every single group cultivated their own culture. In that
time there wasn’t anyone who wanted to mix several cultures. People were not
interested in creating multinational society. In reality, Germans in Galicia
were an example of thriftiness for the rest of nationalities on this land.
Austria lost in Austro-Prussian war in 1866 and was forced to give more
rights to all ethnic groups in Galicia. It meant that German’s rights were
limited. After World War I Galicia was a part of Poland and it was really
difficult for German people to keep their German identity.
In 1939 Hitler and Stalin signed a pact and eastern part of Poland was
taken by USSR. German people who lived in Galicia were allowed to leave the
land and almost all Germans decided to leave their home country fearing the
rule of Stalin. A large number of German people were resettled to so-called Warthegau – the area around the City of Lodz.
But they knew they could not stay in this occupied land when the army of
Soviet Union approached from the east. During the escape in 1945 they were
dispersed over all parts of Germany. Evacuation plans of German Army included
civilian population and that is why many refugees from Warthegau
settled in Germany, on the north side from Halle near
the village Ostrau. They came from catholic villages
from parts of Lemberg such as Bruckenthal,
Wiesenberg, Weissenberg, Ottenhausen and many other small German estates. Because
the are well known since the time they lived in Galicia they are living up to
now in a community, which have their reunions every year in September in Kuetten near Ostrau.