Bericht
zum 22. Galiziertreffen in Kütten am 28.09.2019
Bereits
im Eröffnungsgottesdienst des Heimattreffens erinnerte Pfarrer Koschig an die Umsiedlung der Galiziendeutschen vor 80
Jahren und betonte, dass in dieser schweren Zeit der Glaube ein Stück Heimat
war, das man mitnehmen konnte. 80 Jahre später hat man den Eindruck, dass die
ehemaligen Umsiedler sich mit der Renovierung der uralten Dorfkirche in Kütten
ein neues Stück Heimat geschaffen haben.
Im ehemaligen
küttener Gasthaus versammelten sich dann etwa 60
ehemalige Galiziendeutsche und auch ihre Nachkommen, welche Umsiedlung und
Flucht selbst nicht erlebt haben. Nachdem andere regionale Galiziertreffen
nicht mehr stattfinden, kommen auch Gäste aus anderen Regionen Galiziens zu dem
Treffen der ehemals deutschen Dörfer im Umkreis von Lemberg.
Werner
Kraus informierte in seinem Vortrag zunächst über die Hintergründe der
Umsiedlung, genannt „Heim ins Reich“.
Sie war eine Folge der Aufteilung Europas unter die Diktatoren Hitler
und Stalin. Die Galiziendeutschen hatten schon vorher, wie auch andere
Minderheiten, unter den Maßnahmen der nationalistischen Diktatur in Polen zu
leiden. Auch waren sie informiert über Hungerkatastrophen und Terror in der Sowjetunion.
Schließlich erlebten sie nach dem Einmarsch der Sowjetarmee die
Versorgungsprobleme eines neuen Wirtschaftssystems. Es gab überzeugende
Argumente für eine Übersiedlung aus dem sowjetischen Einflussgebiet in das
Deutsche Reich.
Mit
Berichten von Mitgliedern der deutschen Umsiedlungskommission wurde dann der
technische Ablauf der Umsiedlung deutlich gemacht und es kamen die Betroffenen
selbst zu Wort. „Am 12.01.1940
war das Dorf voller Fuhrwerke, das Signal zur Abfahrt war das Läuten aller
Glocken“ heißt es in dem Bericht eines Wiesenbergers. Für die Zuhörer im
Saal muss es besonders interessant gewesen sein, zu erfahren, an welchem Tag im
Januar 1940 bei starkem Frost und Schneesturm sich ihre Eltern und Großeltern
mit dem Pferdegespann auf den Weg in eine ungewisse Zukunft gemacht haben. Der
Vortrag endete mit einem Dank an die Generation der Umsiedler für ihre
folgenschwere Entscheidung. Diese Entscheidung hat uns Nachgeborenen ein Leben
im geeinten Europa ermöglicht.
Das
Galiziertreffen wurde bereichert durch eine Ausstellung über die Geschichte der
Galiziendeutschen, die das Hilfskomitee der Galiziendeutschen aus Anlass des
Jubiläums der Umsiedlung für die Kulturtagung 2019 in Fulda vorbereitet hatte.
Der
Vorsitzende des Hilfskomitees der Galiziendeutschen Walter Manz
konnte aus familiären Gründen erst später auf dem Treffen erscheinen. Er hielt
eine kurze Ansprache mit Informationen über die Arbeit des Hilfskomitees. Es
wurde deutlich, dass das Hilfskomitee als eingetragener Verein eine Struktur hat
und nach bestimmten Regeln arbeiten muss. Im Vergleich dazu ist das Treffen der
Galiziendeutschen in Kütten eine unabhängige private Veranstaltung. Beiden
gemeinsam ist, dass ehrenamtliche Helfer ohne Bezahlung für die Sache der
Galiziendeutschen arbeiten. Auch die ehrenamtliche Hilfe der Küttener war
wichtig für das Gelingen der Veranstaltung.
Nach dem
Mittagessen, geliefert durch die Landfleischerei Graupner
in Teicha, wurden zwei kleine Filme gezeigt, die auf
der Galizienreise des Hilfskomitees 2018 entstanden sind.
Die
ehemaligen Wiesenberger konnten sich freuen, dass ihre
Kirche, nachdem sie von den Sowjets als Ruine zurückgelassen wurde, im neuen
Staat der Ukraine schöner als vorher wieder auferstanden ist. Die deutsche
Kirche in Münchenthal muss zwar eine Ruine bleiben,
aber durch die Initiative des Kanadiers Brian Lenius
wurde im September 2018 auf dem ehemaligen deutschen Friedhof ein großes
steinernes Denkmal feierlich eingeweiht.
Der
zweite Film zeigte einen Rundgang durch die Altstadt von Lemberg, die besonders
durch ihre mittelalterlichen Kirchen den Rang einer Welterbestadt erlangt hat.
Das
Galiziertreffen vor einem Jahr in Kütten wurde mit dem Singen von Volksliedern
beendet. Das muss einen besonderen Eindruck hinterlassen haben, denn einige
Männer mit Erfahrung im Chorsingen studierten schnell ein paar Lieder ein und
veranlassten dann den ganzen Saal zum Mitsingen. Das stimmungsvolle Singen von
Volksliedern zum Abschluss ist anscheinend ein geeignetes Mittel zum Gelingen
eines Heimattreffens. Weil die Teilnehmerzahl am Galiziertreffen in Kütten so
stabil ist, sollte man sich den 26.09.2020 für das nächste Treffen vormerken.
Die
Sammlung zur Begleichung der Unkosten einschließlich Mittagessen erbrachte 655
Euro. Davon bekommt auch das Hilfskomitee einen Anteil.
Nachtrag
April 2020: Wegen der Corona-Epidemie werden 2020 wahrscheinlich keine
Heimattreffen stattfinden. W. Kraus